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Ordnungsblog - Aufräumen nach KonMari, Ordnung schaffen, Minimalismus

Themenschwerpunkt: Weniger arbeiten, mehr leben!

Von der "Ärbeit" und dem Leben: Ein Thema brennt mir seit Jahren ganz besonders unter den Nägeln. Dieses Thema hat viel mit meinem Weg hin zum Minimalismus zu tun, mit dem Überwinden von Existenzängsten und scheinbar in Stein gemeißelten Normen. Ein Wort vorweg: Mir ist gerade beim Thema „Lohnarbeit“ bewusst, dass ich als Kinderlose aus einer privilegierten Position heraus schreibe. Trotzdem glaube ich, dass uns mehr Ehrlichkeit die Arbeitswelt betreffend gut tun würde.

Ärgerliche Arbeit 

Denn so viele von uns werden krank oder krank gemacht durch das, mit dem wir alle früher oder später in Berührung kommen: die Arbeitswelt, die immer noch die Vollzeitarbeit (am besten plus X Überstunden) als Status Quo predigt und „immer MEHR“ verlangt. Bloß nicht rasten, immer verfügbar sein. Die nächste Gehaltserhöhung, der nächste Posten, bloß die Karriereleiter hoch... Der Mensch mit seinen verschiedenen Bedürfnissen bleibt leider oft auf der Strecke. Und wer definiert eigentlich "Vollzeitarbeit"? Sollten uns Maschinen nicht längst viele Aufgaben abnehmen?

Für viele von uns verrinnt unsere wertvolle Lebenszeit also weiterhin tagein tagaus am Schreibtisch oder hinter der Kasse, im Außendienst oder im Service. Oftmals auch beim Verkauf oder beim Marketing von sehr fragwürdigen Services und Produkten, hinter denen wir nicht stehen können und wollen. Wir fühlen uns von unserer Arbeit entfremdet. Ein Großteil von uns hat gar innerlich gekündigt (FAZ Artikel vom 29.08.2018), da wir unsere Talente und Fähigkeiten nicht für sinnstiftende Aufgaben und Projekte, in die wir aus intrinsischer Motivation heraus Zeit, Leidenschaft und Kraft investieren wollen, einsetzten können. Wenigstens in einem Teil unserer Arbeitszeit. Das alleine ist ist schon eine Katastrophe, den sie betrifft anscheinend einen Großteil der Bevölkerung. Wenn mich vor ein, zwei Jahren jemand gefragt hätte, auf wen ich neidisch bin, hätte ich ehrlich geantwortet: Auf Menschen, die tatsächlich gerne ihrer Lohnarbeit nachgehen, die glücklich mit ihrem Job sind, die gerne ins Büro oder zu all den anderen Arbeitsstätten gehen, dort vielleicht sogar gute Bekanntschaften und Freundschaften geschlossen haben. Ich gönne es jedem von ganzem Herzen und freue mich für alle, die die Arbeit gefunden haben, mit und von der sie gut leben können! Genau so sollte es nämlich sein. Wir verbringen so unendlich viel Zeit mit unserer Arbeit, dass es einfach passen sollte - ja, passen muss!

„Weniger (ä)arbeiten, mehr leben!“

...das ist schon seit geraumer Zeit mein Motto. Und weil ich diese Lebenseinstellung als existentiell wichtig erachte, lassen Sie mich ein wenig weiter ausholen:

„Weniger arbeiten? Klar, gerne, aber ich brauche doch das Geld! Und faul bin ich doch auch nicht!“ werden Sie mir nun gedanklich entgegnen. Nein, faul bin ich auch ganz und gar nicht. Für mich bedeutet „ärbeiten“ in Sinne meines Leitsatzes in diesem Falle die negativen Aspekte von (Vollzeit-)arbeit und „Jobs“. Ich nenne das mittlerweile „Ärbeit“ (ärgerliche Arbeit) Dazu gehören für mich beispielsweise:

  • Lange Arbeitstage, an denen die Präsenzpflicht jeglichen natürlichen Arbeitsrythmus zerstört
  • Arbeitsplätze, an denen Neid und Missgunst herrschen, „jeder gegen jeden“
  • jegliche Anerkennung für die einzelnen Mitarbeiter fehlt
  • „Bullshit-Jobs“, deren Sinn sich nicht erschließen will (ein interessantes Buch zum Thema „Bullshit Jobs“ hat David Graeber geschrieben)
  • Boreout – zu Tode langweilen bei dem, was man da tut oder gar zu wenig für die 8-9 Stunden täglich zu tun zu haben (der Horror!)
  • Burnout – gehetzt von der Arbeit und der/dem ChefIn, von hanebüchenen Deadlines und "Meetings" aller Art
  • Tretmühle – aus dem Hamsterrad nicht mehr herauskommen, die Monate verrinnen
  • Nur noch für die Mittagspause, den Freitag, das Wochenende und die wertvollen Urlaubstage leben
  • Langes Pendeln zum Arbeitsplatz, ein bis zwei Stunden am Tag, die zusätzlich verloren gehen
  • Am Sonntag schon schlecht drauf sein, weil der Montag vor der Tür steht
  • Unterbezahlung und Aufreibung von Menschen, die für unsere Gesellschaft lebenswichtige Care-Arbeit leisten wie Krankenschwestern und -pfleger, AltenpflegerInnen, ErzieherInnen, SozialpädagogInnen...die Liste ließe sich ewig fortsetzen.
  • Von einem unbezahlten Praktikum ins nächste...

die Liste ließe sich beliebig weiter fortführen.

Kommt Ihnen bekannt vor? Viele Jahre (ich habe mit 18 angefangen Vollzeit zu arbeiten im Zuge meiner ersten Ausbildung) habe ich vieles aus der Liste leider in verschiedenen Firmen in der einen oder anderen Form erlebt. Ich betone hier, dass es definitiv nicht überall so ist oder war – Ausnahmen gibt es immer. Aber leider kam das eine oder andere früher oder später zuverlässig vor und die Liste ist ergänzt um Erfahrungen von von Freunden und Bekannten, die mir in langen Gesprächen ihr Leid klagten. Aber was wäre, wenn es nicht so sein müsste?! Wenn es eine Alternative gäbe? 

Durch den viel zu frühen Verlust meines Vaters 2013 wurde mir schlagartig bewusst: Das Leben ist viel zu kurz für diesen ganzen Ärbeits-Ärgerl! Ich wurde dadurch nicht glücklich (oder wenigstens zufrieden - man muss meiner Meinung nach im Job nicht jeden Tag glücklich sein - zufrieden reicht aus), auch wenn ich mittlerweile ganz gutes Geld verdiente! Es war im wahrsten Sinne des Wortes hart erkauft! Ich wollte endlich ganzheitlicher LEBEN. Und zwar in dem Sinne, dass ich nicht mehr unterscheiden muss zwischen "Arbeitszeit" und "Lebenszeit", sondern beides zu einem harmonischen Lebensfluss verbinden kann. Keine grässlichen Montag-Morgende mehr. Kein Warten auf das Wochenende. Kein Leben im "Standby-Modus" unter der Woche.

Wann sollen wir etwas Sinnvolles für die Gemeinschaft und uns selbst tun, wenn wir von morgens bis abends „auf Arbeit“ sind?

Ich wollte auch Montag bis Freitag das Gefühl haben, im richtigen „Flow“, im richtigen Leben zu stecken. Meine Kräfte sinnvoll einzusetzen. Für eine gute Sache zu arbeiten, für meine Herzenssache (das Aufräumen und das Freiraum schaffen) - für die Hilfe und die emotionale Unterstützung beim Aussortieren und Aufräumen, wo ein Mensch keinen Anfang findet, für die glänzenden Augen nach einer Ordnungssession - und nicht zuletzt für guten Projekte anderer Menschen. Ich möchte auch wieder etwas zurückgeben, mich engagieren, in der Stadtgesellschaft präsent sein (ich bin beispielsweise bei Foodsharing aktiv, es ist ein Skandal, wie viele gute Lebensmittel bei uns einfach in der Tonne landen! Aber das ist ein anderes Thema). 

Für mich bedeutet dies in der Schlussfolgerung, dass ich beispielsweise keine Vollzeit-Stelle mehr besetzen möchte (und auch als Selbstständige könnte man natürlich arbeiten, bis man umfällt, wenn man nicht auf sich acht gibt). Und ich möchte mit meinem Vorleben auch andere ermutige, aus den vorgezeichneten Bahnen auszubrechen. 

Was konkret wollen Sie ändern - auf das Thema Arbeit bezogen?

Stellen Sie sich ihr ideales Arbeitsleben vor! Träumen Sie, denken Sie groß! Wie würden Sie leben, wenn Sie es sich frei aussuchen könnten?

  • An welchen konkreten Punkten fühlt sich Ihr Arbeitsleben absolut unpassend an? Schreiben Sie es auf! Sind Ihre Tage zu lang? Ihr Pendelweg zu weit?
  • Wie können Sie diese Punkte entschärfen oder ändern?

Hier geht es jetzt in die Realität, wir verlassen unser ideales Traum-Arbeitsleben und machen den Faktencheck:

  • Ein großes Thema ist natürlich Geld und die Finanzierung des Lebensunterhaltes
  • Auch an das Thema Rente sollten wir denken

Stunden reduzieren durch mehr Minimalismus

Für mich war ein großer Schritt zu mehr Wohlbefinden und Sinn, mir mehr frei verfügbare Zeit durch Stundenreduzierung zu verschaffen, die ich mit Aktivitäten füllen konnte, die mir gut tun. Dazu gehört beispielsweise auch meine Firma, die ich mit viel Herzblut führe.

Aber wie kann man Stunden reduzieren? Das Problem ist meistens, dass wir unseren Lebensstil unbewusst an unsere Einkünfte angepasst haben. Es gab eine Lohnerhöhung? Wir kaufen uns beim nächsten Mal ein teureres Handy oder Auto, gehen mehr essen oder ins Kino. Früher waren wir in der Bibliothek, doch jetzt kaufen wir die Bücher, die wir haben wollen. Es gibt so viele Beispiele!

Fangen Sie also heute an, genau hinzusehen. Auch das Führen eines Haushaltsbuches ist sehr hilfreich

Meine Schritte zu weniger Arbeit

  • Reduzierung meines Besitzes und weitere Reduzierung meines Besitzes: Was ich besitze, besitzt auch mich! Mit der KonMari-Methode™ habe ich alle Dinge aus meiner Wohnung geworfen, die mir keine Freude machen
  • Minimalismus fühlen lernen: Brauche ich dieses Ding? Möchte ich mein mit unwiderbringlicher (!) Lebenszeit verdientes Geld investieren? Hinterfragen Sie Kaufentscheidungen! Schlafen Sie eine Nacht darüber!
  • Dinge leihen: Bücher, DVDs, Musik gibt es in der Bibliothek. Ein Nachbarschaftsnetzwerk hilft bei anderen Dingen wie Grills, Leitern oder Werkzeug. Natürlich trage ich meinen Teil bei. Werden Sie aktiv und starten Sie so ein Netzwerk! 
  • Ich besitze kein Auto, dafür eine Monatskarte, die mich in Berlin überall hinbringt
  • Oberbekleidung kaufe ich 2nd Hand oder gehe zu Kleidertauschparties
  • Ich investiere in gute Schuhe, jeweils ein paar Winterstiefel und Schuhe für's Büro. Diese dürfen dann ruhig teurer sein. Sie halten mehrere Saisons, wenn ich sie zwischendurch neu besohlen lasse.
  • Mir persönlich sind große Reisen nicht so wichtig, ich kann darauf leichten Herzens einfach verzichten. Wir machen meistens einen Urlaub im Jahr und besuchen auch noch die Familie, die im Ausland wohnt. Seitdem ich weniger Stunden arbeite, habe ich auch nicht mehr dieses tiefe Bedürfnis nach "Urlaub". Alles ist entspannter!
  • Ich hinterfrage "Events" aller Art: Möchte ich wirklich 20,- Euro und mehr für diese Ausstellung/Konzert/Film investieren. Reicht nicht, mir später die DVD in der Bibliothek auszuleihen? Fehlt mir wirklich etwas, wenn ich nicht dabei war? Meistens hatte ich das Event wenige Tage später ganz vergessen.
  • Mit Freunden kann man sich auch günstig treffen, zuhause, beim Geocachen, im Park, beim Spaziergang...
  • Ich behalte immer in einer Tabelle meine Fixkosten im Auge!
  • Mein Handyvertrag liegt bei unter 8,- Euro im Monat. Ein neues Handy kaufe ich mir erst, wenn das alte nicht mehr geht oder brauchbar ist. Bislang habe ich in meinem Leben zwei Smartphones besessen.
  • Ich bin Vegetarierin, beim Essen spare ich allerdings nicht bewusst
  • Bewusst gebe ich Geld aus für Dinge, die mir wichtig sind. Was das ist, sollten Sie für sich definieren
  • Ich zahle jeden Monat grundsätzlich einen gewissen Betrag in eine private Rentenversicherung ein
  • Außerdem lege ich etwas auf ein Sparkonto zurück. Je mehr man auf der hohen Kante hat, desto freier wird man. Nicht jeder Job muss dann im Falle eines Falles angenommen werden und eine gewisse Zeit kann auch ohne Einnahmen überbrückt werden.
  • Ich habe schnellstmöglich nach dem Studium (BAföG...) dafür gesorgt, absolut schuldenfrei zu sein und achte darauf, dass dies auch so bleibt. Allein dies verschafft Freiheit.
  • Ich gehe, wenn sich herausstellt, dass eine Stelle absolut nicht zu mir passt oder ich nicht zur Stelle
  • Ich bewerbe mich nur noch auf Stellen, die ich wirklich besetzen möchte und "leiste" mir notfalls noch ein paar Wochen Wartezeit - denn mein Arbeitgeber und ich haben es verdient, dass ich meinen Job gerne und mit vollem Einsatz mache!

Zuerst konnte ich mir durch die oben genannten Maßnahmen den Freitag als arbeitsfreien Tag in meinem angestellten Job leisten. Später folgten durch eine Ergänzung meiner möglichen Einnahmequellen durch meine eigene Firma die Möglichkeit, noch weniger Stunden fest angestellt zu arbeiten. Heute komme ich auch zusammen mit den Arbeitsstunden für ORDNUNG ZUHAUSE nicht auf 40 Wochenstunden, da ich die Balance für mich weiter beibehalten möchte. Ich möchte nämlich überhaupt nicht ständig "busy" sein. Mein Seelenfrieden, meine Werte leben, Zeit für meine Interessen und Freunde zu haben ist für mich unendlich wertvoll und wichtig. Und genau dies priorisiere ich nun in meinem Leben! Es war ein langer Weg, und ja, manchmal zweifel auch ich. Aber es lohnt sich, die großen Fragen zu stellen und etwas zu ändern!

Ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen, dass Sie auch für sich eine Möglichkeit finden, genau so zu leben, wie Sie es sich wünschen!


Hier noch ein Buchtipp zu genau diesem Themenschwerpunkt: Wringham, Robert: "Ich bin raus! Wege aus der Arbeit, dem Konsum und der Verzweiflung". (Engl.: "Escape everything!"). Für mich war dieses Buch ein absoluter Augenöffner und eine Versicherung: "Es geht nicht nur mir so! Ich bin nicht verrückt geworden!".